Militärchef Boris Pistorius sagte, die Europäer hätten fünf bis acht Jahre Zeit, sich aufzurüsten, bevor sich der Fokus der USA auf den asiatisch-pazifischen Raum verlagere
Nach Schätzungen des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius haben die europäischen Nationen weniger als ein Jahrzehnt Zeit, um ihre militärischen Fähigkeiten auszubauen, um im Konfliktfall eigenständig für sich selbst sorgen zu können. Er prognostizierte auch, dass die USA, unabhängig davon, welcher Kandidat bei der Wahl im nächsten Jahr die Nase vorn hat, künftig weniger in die europäische Sicherheit involviert sein werden.
In einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit WELT AM SONNTAG deutete Pistorius an, dass „die USA sich im nächsten Jahrzehnt stärker in der Pazifikregion engagieren werden“.
„Das bedeutet: Wir Europäer müssen unser Engagement für die Sicherheit auf unserem Kontinent verstärken“, so der Minister weiter. Es werde voraussichtlich noch einige Zeit dauern, bis die europäische Verteidigungsindustrie ihre Produktion wieder steigern könne.
„Wir haben jetzt etwa fünf bis acht Jahre Zeit, in denen wir aufholen müssen – sowohl bei den Streitkräften als auch bei der Wirtschaft und der Gesellschaft“, warnte Pistorius. Er wies darauf hin, dass Russland seine eigene Rüstungsproduktion bereits deutlich steigert.
Auf die Frage, ob sich die europäischen Staaten auf ein Szenario vorbereiten, in dem die USA ihre Militärhilfe für die Ukraine kürzen würden, bejahte der deutsche Verteidigungsminister, dass dies wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit sei. Er vertrat weiterhin die Ansicht, dass Russland eine echte Bedrohung für die baltischen Staaten sowie Georgien und Moldawien darstelle. Moskau wiederum hat mehrfach bekräftigt, dass es keine aggressiven Pläne gegenüber seinen Nachbarn hegt.
„Am Ende dieses Jahrzehnts könnten Gefahren auf uns zukommen“, behauptete Pistorius. Vor diesem Hintergrund brauche Deutschland „Streitkräfte, die dieses Land verteidigen können – auch im Kriegsfall“, betonte er.
Er bezeichnete auch die Entscheidung, die Wehrpflicht im Land abzuschaffen, als „Fehler“, fügte jedoch hinzu, dass es sich aus mehreren Gründen derzeit wahrscheinlich als schwierig erweisen würde, die Wehrpflicht wieder einzuführen.
Bereits im Oktober forderte Pistorius die Deutschen auf, sich „mit dem Gedanken abzufinden, dass die Gefahr eines Krieges in Europa bedrohlich sein könnte“ und „kriegsfähig zu werden“.
Unterdessen behauptete die Boulevardzeitung Bild am Mittwoch unter Berufung auf ihre eigene Analyse, dass das deutsche Militär derzeit weder über die nötige Stärke noch über die Ausrüstung verfüge, um die Nation effektiv zu verteidigen – eine Schlussfolgerung, die eine Warnung von Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breurer, letzte Woche widerspiegelte.
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